Radford´s
News Heft 1/91
Es
wurde schon viel geschrieben über das Material, aus dem die
Pfeifen sind. Doch vieles davon blieb notgedrungen oberflächlich.
Wir baten den deutschen Pfeifenmacher Rainer Barbi, unseren Lesern
tiefere Einblicke in die Voraussetzungen zu geben, unter denen gute
Pfeifen entstehen. Hier das erste Kapitel seines interessanten Fachbeitrages,
den wir in den nächsten Ausgaben der Radford´s News fortsetzen
wollen.
Bruyere,
Briar: Knollenverdickung der Erika Arborea, auf deutsch Baumheide,
kompensierte Natur in ihrer ganzen Kraft, Perfektion und gleichzeitigen
Fehlerhaftigkeit. Fangen wir nicht wieder damit an, woher es kommt
oder wie es abgebaut wird, diese Informationen finden Sie in jedem
Pfeifenbuch. Gehen wir einmal in medias res, betrachten wir die
kommerziellen Kriterien und die für eine handwerkliche Verarbeitung
notwendigen Voraussetzungen, oder einfach ausgedrückt: was
muss ich beachten, wenn ich dieses göttliche Material einkaufe
und verwerte.
Groß
ist die Zahl der Ursprungsländer und Abbaugebiete, die wir
uns mit langwierigen Telefonaten mit den Handelskonsulaten besorgt
haben.
Fragen
über Fragen tauchen auf: welches Land bietet das beste Holz?
Gibt es Unterschiede in der Holzqualität von Region zu Region
der einzelnen Länder? Von welchem Sägewerk soll ich beziehen?
Welche Qualitäten und Größen an Kanteln werden angeboten?
Sind sie richtig für meine Zwecke aufbereitet? Und last not
least: Welche verborgenen Mängel weist das Bruyere auf, wodurch
werden sie verursacht und wie kann ich sie erkennen?
Gehen wir also gleich mitten hinein in die erste aller Fragen: Wo
kommt das beste Bruyere her?
Über die besten Abbaugebiete des Bruyere lassen sich leider
keine pauschalen Aussagen treffen.
Qualitativ in bezug auf Raucheigenschaften überhaupt nicht,
lediglich Kriterien der Schönheit und damit verbundenen Rarität
können von Land zu Land und Region zu Region innerhalb bestimmter
Wahrscheinlichkeitsgrenzen unterschieden werden.
Griechenland
und Spanien bieten häufig eine breitere Maserungsstruktur,
oft verbunden mit einem erhöhten Füllholzanteil. Zeitweilig
neigen diese Hölzer zu einer rötlich gelben Grundfärbung.
Sardisches, wie auch korsisches Holz, ist enger und feiner liniert,
jedoch besitzt das sardische eine gelbliche Tönung, während
das korsische weiß erscheint.
Ebenfalls die Hölzer der italienischen Regionen Kalabrien,
Ligurien und der Toskana liefern optisch hochwertiges Material mit
relativ weißer Grundtönung, albanisch und türkische
wiederum erscheinen in der Tönung dunkler mir relativ breiter
Maserungsstruktur.
Spanien und Südfrankreich besitzen ein relativ hartes Holz,
während Algerien mit einem im Regelfall weicheren Material
aufwartet, welches nicht immer unbedingt für Glattwaren geeignet
ist.
Nun darf man jedoch nicht glauben, dass mit diesen Kriterien eine
sichere Unterscheidung der einzelnen Abbaugebiet möglich ist,
vielmehr sind diese Merkmale fließend und differieren von
Wald zu Wald und von Knolle zu Knolle.
Entscheidend vielmehr für die Frage, aus welchem Land und von
welcher Region der Hersteller bezieht, ist das Verhältnis vom
Preis zur Leistung und die Zielrichtung seines Rohmaterialeinsatzes.
Ist für die Serienherstellung auch eine breiter Maserung mit
aber möglichst geringer Fehlerquote und einem günstigen
Einkaufspreis geeignet, wie sie aus Griechenland oder aus Marokko
geliefert wird, ist für den Einzelstückhersteller doch
die Rarität der Maserungsqualität von wesentlich größerer
Bedeutung. Er braucht für seine Produkte die seltener, feinere
Linierung in Verbindung mit einem möglichst weißen Holz.
Somit kommen für Ihn hauptsächlich die Produkte aus den
Regionen Italiens oder aus Korsika in Frage.
Haben wir uns für ein Ursprungsland und für eine bestimmte
Region entschieden, taucht die Frage nach dem Lieferanten auf. Welches
Werk liefert uns die besten Qualitäten mit der besten Aufbereitung
zum günstigsten Preis?
In
Bezug auf Aufbereitung gibt zwischen den einzelnen Sägewerken
kaum noch Unterschiede. Die Zeiten, in denen der korsische Coupeur
als absoluter Meister seines Faches galt, sind vorbei. Angelernt
von diesen Altmeistern, besitzen heutzutage griechische und italienische
Coupeure das gleiche Know-How.
Immer entscheidend für die hochwertige Weiterverarbeitung des
Kantels ist die Richtung des Schnittes möglichst parallel zur
Linierung oder rechtwinklig zu ihr, die Ausmerzung der Fehlerquoten
und die anschließende Sortierung an Hand der Fehlerkriterien
und die Maßhaltigkeit.
In
allen drei Punkten gibt es bei den einzelnen Sägewerken kaum
noch Unterschiede, einzelne zeitweilige Ausnahmen bestätigen
hier nur die Regel. Höchstens in der Berücksichtigung
der Sonderwünsche zeigen sich einige Werke flexibler als andere.
Auch der Entharzungsprozess mit anschließender Trocknungslagerung
ist zur vergleichbaren Norm geworden und bietet kein Geheimnis mehr,
es sei denn, ein Werk ist mit Aufträgen überflutet und
verkürzt Koch- und Lagerprozess zum Zwecke der Bedarfserfüllung.
Dieses ist jedoch die absolute Ausnahme, findet in der Jetztzeit
aufgrund der gesunkenen Nachfrage überhaupt nicht mehr statt
und hat auch in der Vergangenheit nur kurzfristig Bestand gehabt,.
Zu empfindlich haben die verarbeitenden Industrien reagiert und
der Konkurrenzdruck hat schnell wieder zur Anhebung der Qualitätsnorm
geführt.
Grundsätzlich
allerdings schwanken die Qualitäten der einzelnen Sägereien
von Jahr zu Jahr.
Bedingt wird diese zwangsläufige Phänomen durch das forstwirtschaftliche
System der zeitlich begrenzten Verpachtung der Wälder an die
Sägereien. So werden zum Beispiel die Wälder in Griechenland
in begrenzten Arealen in öffentlichen Auktionen durch die staatliche
Forstverwaltung für jeweils ein Jahr verpachtet und die Abbautonnage
zur Raubbauvermeidung kontingentiert.
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